Das Blütenmeer der Tajinasten
Die Anfahrt
Noch liegt der Morgen in der Luft. Mein Weg führt mich heute in die Berge. Vor mir die Autobahn, doch mein Blick ist gefesselt von der magischen Ausstrahlung die der majestätische Teide heute wieder hat. Hier und da sind die letzten Schneefetzen zu sehen. Meine Freude auf den heutigen Tag steigt, denn ich weiß, was mich erwartet. Oder kann ich es nur erahnen?
Abfahrt La Orotava. Schnell ist der kurze Weg durch die Stadt geschafft - ab jetzt gibt es nur noch eins – Landschaft und Natur pur. Kontinuierlich schiebt sich mein „Dicker“ durch das, vor üppigem Grün strahlende, Orotavatal (auf der TF 21) Richtung Nationalpark Teide hinauf.
Erster Zwischenstopp – die Forellenfarm in Aguamansa. Hier muss ich einfach immer stehen bleiben und für einen Augenblick dem munteren Treiben der Forellen und Karpfen zusehen. Kopfkino – denn ich sehe vor meinem geistigen Auge schon wieder die eine oder andere Forelle im Räucherofen hängen und schwupps, schon habe ich auch den Duft in der Nase. Aber für heute dürfen die Fische weiter schwimmen – heute habe ich anderes vor.
Meine Fahrt geht weiter hinauf. Nächster Zwischenstopp – der Mirador der Steinrose. Ein Anblick, der mich immer wieder von Neuem fasziniert. Denn egal wie das Licht einfällt, sie sieht bei jedem Mal anders aus.
Mit jedem Höhenmeter den ich hinter mir lasse, verändert sich die Vegetation. Die Natur zeigt zisch von ihrer schönsten Seite. Überall grünt und blüht es. Das Auge kann sich kaum satt sehen, ob der Fülle der Flora. Immer wenn es möglich ist, schweift mein Blick hinunter aufs Meer.
Ich kann nicht anders, ich muss immer wieder aufs Neue anhalten und das eine oder andere Foto machen. Je höher ich komme, je karger wird die Vegetation. Das kann der Schönheit der Natur jedoch keinen Abbruch tun. Ganz im Gegenteil. Es ist faszinierend und aufregend zu sehen, auf welch – im ersten Eindruck – kargem Boden hier noch so viel floristische Pracht gedeiht.
Über die Mystik dieses Waldes schreibe ich in einem späteren Block.
Zwischenzeitlich habe ich den Eingang zum Nationalpark del Teide passiert und freue mich auf meinen ersten Kaffee.
Wie immer, wenn ich diese wunderbare Tour mache, ist ein weiterer Zwischenstopp die Kreuzung der TF 21 und der TF 24. Ich parke meinen „Dicken“ vor dem Restaurant und gehe als Erstes hinüber auf die andere Straßenseite. Ich muss meine Augen einfach an diesem traumhaften und unglaublichen Blick über die Wälder, das Wolkenmeer bis hinunter zum Atlantik weiden lassen. Die Sonne strahlt vom Himmel herab und verwöhnt mich mit ihren wärmenden Strahlen. Gut, dass ich den Sonnenschutz für die Haut nicht vergessen habe. Denn in dieser Höhe (ca. 2.000 Meter über Normal) bekommt man schnell einen Sonnenbrand. Noch ein Foto und dann zurück zum Restaurant. Halt, doch erst noch einen Blick zurück werfen. Es ist einfach zu schön, um gleich wieder zu gehen.
Auf dem Hof des Restaurant komme ich meinem eigentlichen Ziel schon etwas näher. Denn hier steht sie, die erste Tajinaste (Roter Natternkopf) des Tages. Hoch ragt sie in den Himmel hinein und zeigt stolz ihre ganze Pracht. Die Freude über ihren Anblick erwärmt meine Seele und ich spüre, wie sich ganz automatisch, ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert. Es soll nicht das letzte für heute sein.
Nach meinem Kaffee, bei dem ich selbstverständlich immer wieder meinen Blick über die Schönheit der Natur schweifen lasse, geht es weiter in Richtung Canadas. Dorthin, wo die Heimat der Tajinasten ist. Dorthin, wo sich diese, auf Teneriffa endemische Pflanze, alljährlich im Frühsommer in ihr schönstes Kleid hüllt.
Angekommen
Nach einer kurzen Fahrt recken dann auch schon vereinzelt die purpurnen Pflanzen ihre Köpfe in die Höhe. Ganz deutlich zeichnen sie sich vom Rest der Flora ab. Immer weiter führt mich meine Fahrt in die Canadas hinein. Und mit jedem Meter den ich voran komme wird die Anzahl der Tajinasten mehr. Mit ihren langen Blütendolden zaubern sie ein wahres und prachtvolles Blütenmeer in die sonst so karge Landschaft.
Ich muss einfach anhalten. Kann mich nicht satt sehen. Fiebere förmlich dem nächsten Mirador entgegen. Dann endlich kann ich meinen Dicken parken und aussteigen.
Ich fühle mich wie im Himmel. Nicht eine, nicht zwei, nicht zehn, hunderte von Tajinasten zaubern einen Teppich voller Schönheit und Farbe. Wo soll ich da zuerst hinsehen? Meine Augen und mein Herz sind überwältigt von so viel Schönheit. Eigentlich ist es kaum möglich, diese unglaubliche Pracht mit den Augen aufzunehmen und keine Worte dieser Welt wären im Stande, sie zu beschreiben.
Kleine Pflanzen, die noch wachsen, große Pflanzen, die ihre riesigen Blüten mehr als zwei Meter in Richtung Sonne aufgerichtet haben. Mal vereinzelt, mal in kleinen und großen Gruppen. Doch jede Pflanze für sich ein Unikat. Es summt und brummt überall. Denn die Bienen sind bei diesem Wetter besonders fleißig. Kaum eine Blüte, an der nicht eine Biene emsig am Werk ist.
So weit das Auge blicken kann, erblickt es Tajinasten. Immer wieder schließe ich meine Augen um mich dann erneut an diesem Anblick zu erfreuen. Nein, dass ist kein Traum, kein gemaltes Bild, das ist jetzt, hier und heute. Hier kann ich nur sagen, dass die Tinerfenos ihre Tajinasten zu recht als den „Stolz Teneriffas“ bezeichnen.
Und sie stehen dort nicht allein. Andere Blumen bilden mit ihren zauberhaften Formen und Farben eine traumhafte und wohl so nicht zu übertreffende Symbiose mit dem Roten Natternkopf. Purpur, gelb, weiß, blau, grün – es schimmert einfach in fast allen Farbkomponenten. Die Berge im Hintergrund runden dieses Bild zu einem Ganzen ab. Alles ist eine Einheit, in sich geschlossen und doch frei.
Auch wenn ich mich nicht satt sehen kann, geht die Fahrt trotzdem weiter. Einziger Wehmutstropfen sind die Touristen, die zwischenzeitlich am Mirador angekommen sind. Denn leider reicht es ihnen nicht, einfach nur die Schönheit zu betrachten. Sie müssen überall zwischen den Pflanzen herumlaufen und beachten dabei nicht, dass sie viele andere Pflanzen, die hier ebenfalls wachsen, einfach kaputt trampeln. Aber ich will mich nicht ärgern und setzte meine Tajinasten-Tour fort. Überall an den Wegesrändern zeigen die Pflanzen stolz ihr Blütenkleid. Es ist nicht meine erste Begegnung mit den Tajinasten. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich so viele wohl noch nie gesehen habe.
Mein nächster Stopp ist die Talstation der Teide-Seilbahn. Auch hier sind die Berghänge übervoll mit Blüten. Ein herrlicher Anblick. Vor mit die verschiedensten Farben der bunten Blumen und im Hintergrund das Blau der Seilbahn, die unaufhörlich zum Teide hinauf und wieder herunter fährt.
Als ich meine Augen endlich von der Schönheit des Blütenmeeres lösen kann stelle ich fest, dass es doch schon später ist als gedacht. Unglaublich, wie viel Zeit man doch damit verbringen kann, wenn man einfach nur die Schönheit der Natur betrachtet.
Meine Fahrt geht nun weiter. Durch den Nationalpark hinunter Richtung Santiago del Teide und dann zurück nach Hause.
Wie viele Fotos ich heute gemacht habe weiß ich nicht. Es waren viele, sehr viele. Doch ich bezweifele, dass ich das, was meine Augen in den Canadas erleben durften, auf einem Bild einfangen konnte. Und so bleibt mir nur die Hoffnung, dass ich dieses wunderbare Erlebnis noch einmal genießen kann, bevor die Blütenpracht sprichwörtlich vom Winde verweht wird.
Veröffentlicht am 10.06.2016