Kanarische Küche
Guachinches – die Straußenwirtschaften Teneriffas
Besucht man den Norden der Insel Teneriffa, kommt man an ihnen nicht vorbei – den Guachinchen. Überall finden sich Hinweisschilder und Tafeln, mit den für die eine oder andere Guachinche geworben wird.
Selbst an unscheinbar aussehenden Häusern sind Schilder mit der Aufschrift „Guachinche“ angebracht. Und dies, obwohl hier nichts auf ein Lokal, eine Gaststätte oder ein Restaurant hindeutet.
Aber was ist das eigentlich, eine Guachinche?
Die Erklärung ist erst einmal sehr einfach und kurz. Unter einer Guachinche versteht man eine, kleines, von Winzern betriebenes Familienlokal (kennt man in Deutschland unter Straußen- oder auch Heckenwirtschaft), in denen der selbst angebaute Wein, als neuer Wein direkt vermarktet wird. Dazu werden einige traditionelle, selbst gekochte, kanarische Gerichte angeboten.
„Richtige Guachinchen“ findet man immer an, in oder neben einem Weinberg. Nach der Weinlese, verkaufen die Weinbauern ihre geernteten Trauben nicht oder nur zum Teil, und stellen ihren eigenen Wein (meist Vino tino – Rotwein) her, um ihn dann in ihrer Guachinche zu verkaufen.
Wer nun ein großes Restaurant mit herausragendem (im Sinne von noblem) Ambiente erwartet, der erwartet zu viel. Denn meist wird aus einer Garage, einem Patio, einer kleinen Bodega oder einem Wohnzimmer eben mal eine Guachinche.
Ist ja nicht für lange. Denn wenn der neue Wein aus der letzten Ernte komplett ausgeschenkt ist, schließen die Guachinchen wieder. Eröffnet werden Guachinchen mit dem ersten Ausschank des neuen Weines. Meist am 30. November, dem Andreas-Tag, oder einen Tag vorher. Die maximale Öffnungszeit liegt bei drei Monaten, mit einer entsprechenden Sondergenehmigung dürfen die Betreiber auch bis zu sechs Monaten geöffnet haben. Aber das ist selten. Denn insbesondere die Insulaner lieben ihre Guachinchen und besuchen die Lokale mit ihrem schlichten und rustikalem Ambiente (meist nur einfache Holztische, Holzbänke und kaum Dekoration, oder einfach zusammengewürfelte Tische und Stühle) vor allem an den Wochenenden mit großer Begeisterung. Da ist der neue Wein schnell verkauft.
Traditionelle Guachinchen haben innerhalb dieser Zeit von Donnerstag bis Sonntag Nachmittag geöffnet.
Neben dem hausgemachten Wein dürfen noch 2-3 verschiedene traditionelle kanarische Gerichte plus Beilagen angeboten werden. Es gibt Gabanzos (Kichererbsen), Carne cabra (Ziegenfleisch), Conejo (Kaninchen), Poll0 asado (gegrilltes Hähnchen), Costillas (Rippchen), Chuleta (Kotelette), Fabadas (weiße Bohnen), Pincho (Fleischspieße), Queso, Papas arrugadas con mojo (Kartoffeln mit Mojo-Sauce), Bacalao (Kabeljau), Eintopfgerichte und einige andere einfache, traditionelle, aber sehr leckere kanarische Gerichte. Am Herd steht meistens noch die Oma und kocht so, wie sie es bereits von Ihrer Mutter oder Oma gelernt hat.
Was eine Guachinche noch ausmacht, sind die günstigen Preise. Hier kann man mit der ganzen Familie, mit Freunden und Bekannten zum Essen gehen, ohne das die Rechnung ein „großes Loch“ in den Geldbeutel reißt.
Wer auf Nachtisch, Obst, Eis, Kaffee, Erfrischungsgetränke oder ein kühles Bier hofft, der wird in einer traditionellen Guachinche nicht fündig. Denn es dürfen nur, wie bereits erwähnt, zwei bis drei verschiedene Speisen, der selbst produzierte Wein und Wasser verkauft werden. Wenn man mit der Familie in einer Guachinche zum Essen geht, und die Kinder wollen ein anderes Getränk außer Wasser, dann muss man dieses selbst mitbringen.
Der ganz besondere Reiz – das außergewöhnliche Flair
Was aber macht diese pittoresken kleinen Lokale zu so etwas Besonderem? Was macht ihren Reiz aus? Was ihr Flair.
Nun, es ist sicher das wundervoller Zusammenspiel zwischen Einfachheit, kanarischem Charme, einfachen, aber guten und reichlichen Speisen und wundervollem Wein. Nun, pingelig sollte man nicht unbedingt sein. Es ist kein 3-Sterne Restaurant und daher ist die Art und Weise des Anrichtens der Speisen so einfach und schlicht, wie eine Guachinche selbst.
Guachinchen sind auf Teneriffa seit je her „geduldet“ und gern gesehen. Sie haben den großen Vorteil, dass sie nicht den strengen kanarischen Gesetzen, die sonst für Gaststätten und Bars gelten, obliegen.
Es gab Zeiten, da wurde ein regelrechter „Kleinkrieg“ zwischen den Restaurant-Besitzern und den Betreibern der Guachinchen ausgetragen. Erstere fühlten sich auf Grund der Popularität der Guachinchen um ihr Geschäft betrogen. Was folgte, war eine Regulierung (Öffnungszeiten, Speiseangebote, Lage einer Guachinche usw.). Zusätzlich mussten und müssen die Betreiber als Landwirte in der Sozialversicherung angemeldet sein und nachweislich einen Fachkurs in der Behandlung von Lebensmitteln besucht haben.
Viele Guachinchen mussten auf Grund der veränderten Reglementierung schließen, oder wurden vom Cablido Teneriffas (Regierung von Teneriffa) geschlossen.
Bis heute ist der Zulauf in die Guachinchen jedoch ungebrochen. So gibt es Ortschaften, in denen es in der „Guachinchen-Saison“ weit über 200 Guachinchen gibt, die man besuchen kann.
Es gibt jedoch auch Guachinchen, die keine traditionellen Guachinchen sind. Diese verkaufen den Wein anderer Hersteller, hängen ein Schild an die Tür auf der Guachinche steht, und haben das ganze Jahr über geöffnet. Das diese Lokale wenig bis gar nicht mir der Ursprünglichkeit einer Guachinche zu tun haben erklärt sich von selbst.
Wenn man in einer Stadt wie Puerto de la Cruz eine Lokal findet, an der Guachinche angeschrieben steht, dann ist es meist ein ganz normales Restaurant, mit ganz normalem Speisen und Getränken, die nur mit dem Namen „Guachinche“ werben. Und da viele Touristen den Unterschied nicht kennen, sind sie der Meinung, dass sie dort traditionelle kanarische Gerichte serviert bekommen. Doch weit gefehlt.
Das soll nicht heißen, dass man in jedem Lokal, dass sich nur Guachinche nennt, nicht vorzüglich essen könnte. Insbesondere in den kleinen Ortschaften im Norden findet man immer wieder wahre Schätze. Hier kann man ebenfalls in familiärer Atmosphäre köstliche, traditionelle kanarische Gerichte genießen. Nur eben nicht in der Stadt und nicht in den bekannten Touristenhochburgen.
Es ist ganz einfach. Kein Weinberg – keine traditionelle Guachinche
Jede Guachinche ist anders, jede auf ihre Art einmalig. In jeder Guachinche wird anders gekocht. Es gibt keine Rezepte, keine Kochbücher. Es wird so gekocht, wie man es zu Hause gelernt hat, wie es überliefert ist. Und in jeder Guachinche schmeckt der Wein anders. Mal kräftiger, mal leichter. Es ist immer junger, neuer Wein, nichts, was industriell hergestellt wurde, nichts „von der Stange“.
Das macht den Reiz, das Besondere einer jeden traditionellen Guachinche aus.
Ein wenig in der Geschichte gestöbert – der Ursprung der Guachinchen
Der Ursprung der Guachinchen, ihre Geschichte, ist genau das, was sie auch heute noch sind. Ein Ort, an dem die Weinbauern ihren Wein (oft auch ihre eigenen Kartoffeln und ihr selbst angebautes Gemüse) verkaufen.
Früher waren es kleine Verkaufsstände, an denen die Bauern ihre Produkte (früher hauptsächlich Malvasia-Wein), zuerst an die englischen Einkäufer, später auch an Einheimische verkauften.
Schenkt man den alten Guachinchen-Betreibern, denen, mit jeder Menge Erfahrung, denen, die jede Menge überliefertes Wissen ihr Eigen nennen können, Glauben, so wurden in späteren Jahren von einigen Bauern „bailes“ also typisch kanarische Tanzabende, sowie „tenderetes“ – Feste – veranstaltet, um ihren Wein direkt und ohne Zwischenhändler an die Menschen (Einheimische und Gäste gleichermaßen), verkaufen zu können.
Dazu traf man sich meist in einem großen Raum im Haus oder im Patio des Bauern, man kochte zusammen – aus eigenen Produkten des Bauern oder auch aus mitgebrachten Produkten der Nachbarn –, immer typische Gerichte, man aß zusammen, trank zusammen Wein und junge Musiker spielten zum Tanz auf. Nun, man darf sich das nicht so vorstellen, wie man es als „Hausmusik“ aus deutschen Geschichtsbüchern kennt.
Die Instrumente waren meist selbst gemacht und wenn die jungen Männer mit den jungen Frauen tanzten, wachten über allem was sie taten, die strengen Augen der Mütter.
Guachinchen waren in dieser Zeit so etwas, wie ein „Heiratsmarkt“. Das darf man natürlich nicht so wörtlich nehmen. Aber in den Guachinchen fanden und formten sich zur damaligen Zeit die meisten Paare. Jeder wusste, dass er in eine Guachinche gehen musste, um etwas für's Herz zu finden. Denn bei einem guten Essen, einem herrlichen Tröpfen besten Weines und dem Rhythmus und Takt der traditionellen Musik war es einfacher, sich kennen zu lernen und sich näher zu kommen.
Der Ursprung des Wortes Guachinche – waren es die Engländer?
Auch wenn man es auf einer spanischen Insel wie Teneriffa nicht vermutet, aber der Ursprung des Wortes Guachinche soll aus dem Englischen kommen. Genauer gesagt, soll Guachinche eine Ableitung aus dem Satz „I'm watching you!“ - „Ich beobachte Dich“ sein.
Dieser Ausdruck wurde früher von den englischen Einkäufern benutzt um den Bauern mitzuteilen, dass sie jetzt willens und bereit wären, deren Produkte zu probieren und bei Gefallen zu kaufen.
Was die Bauern verstanden, war jedoch nicht das, was die Engländer sagten. Sie verstanden den Satz „hay un guachinche?“ - in Anlehnung an einen Stand oder Ort, wo sie probieren konnten bevor sie eine Kaufentscheidung trafen.
Was wäre Teneriffa, wenn es für das Wort Guachinche keine zweite Erklärung geben würde. Wie so oft, sagen die einen so, die anderen so. Da sicher nicht mehr genau geklärt werden kann, welchen Ursprung das Wort Guachinche genau hat, gibt es hier selbstverständlich auch die zweite Erläuterung.
Diese besagt, dass der Begriff Guachinche von dem Wort „bochinche“ kommt. Dieses Wort ist ein Synonym und steht für Unordnung oder auch Verwirrung. Verwendung findet es heute noch immer auf der Nachbarinsel Gran Canaria.
Ein Besuch in einer Guachinche – Teneriffa live erleben
Wenn man sich für ein Land, eine Insel, dass Fleckchen Erde interessiert, auf dem man sich von den Strapazen des Alltags und der Arbeit erholt, dann kann man dies auf verschiedene Art und Weise tun. Man kann sich den ganzen Tag in seinem Hotel-Komplex, am Strand, oder in den Touristen-Zentren aufhalten, man kann aber auch versuchen, Land und Leute kennen zu lernen.
Land und Leute kennen zu lernen ist weit mehr, als mit dem Auto oder dem Bus die Insel zu erkunden. Land und Leute kennen zu lernen heißt die Insel zu spüren, das Leben und das Lebensgefühl auf der Insel zu fühlen und es heißt Authentisches zu erleben. Raus aus dem Gewühl der Touristen-Zentren, raus aus Glanz und Glamour und rein in die Einfachheit des Seins der Tinerfenos und ihrer Insel.
Ob man Teneriffa authentischer erleben kann als in einer Guachinche ist schwer zu sagen. Aber wohl eher nicht. Hier schlägt das Herz der Tinerfenos, hier ist ihr „zweites Wohnzimmer“. Hier haben sie die Möglichkeit sich selbst und ihre Traditionen zu leben. Eins zu sein mit sich und dem Leben. Es ist jedes Mal wie eine kleine Rückkehr in die Vergangenheit und doch im Hier, Jetzt und Heute. Ob mit der Familie, mit Freunden, mit Bekannten, mindestens einmal in der Woche trifft man sich in einer Guachinche und feiert das Leben und sich selbst.
Bei einem Besuch in einer Guachinche wird einem die Einfachheit des Lebens der Insulaner, insbesondere auf dem Land, bewusst. Sie genießen so, wie sie leben - einfach, ursprünglich, traditionell, ländlich, familiär, authentisch, fröhlich und herzlich.
Wer sich als Gast auf dieser Insel nicht ausgrenzt und zeigt, dass er sich für die Menschen und die Insel interessiert, der kann bei einem Besuch einer Guachinche für eine gewisse Zeit ein Teil dieses ganz besonderen Lebens, dieser wunderbaren Momente der Tinerfenos werden.
Wo findet man die besten Guachinchen?
Die Antwort ist einfach. Im Norden der Insel. Überall dort, wo Wein angebaut wird. Das beste Guachinchen-Gebiet erstreckt sich zwischen Tacoronte und La Orotava. Hier finden sich unzählige Guachinchen. An fast jedem Weinberg ist ein Guachinche angeschlossen.
Wenn man den Hängen der Ortschaften von Tacoronte, La Matanza, La Victoria, Santa Ursula oder La Orotava spaziert, fällt man sozusagen von einer Guachiche in die Nächste. Wenn ein Weinberg daneben oder in der Nähe ist, kann man sich sicher sein, in einer traditionellen Guachinche angekommen zu sein.
Außerhalb des Nordens finden sich noch ein paar vereinzelte Guachinchen in dem Tal von Güimar. Diese fallen aber auf Grund ihrer geringen Anzahl kaum ins Gewicht.
Eins ist gewiss, je besser eine Guachinche ist, je größer ist der Andrang. Deshalb sollte man bei einem Besuch einer Guachinche (dies gilt für alle Bars, Lokale und Restaurants) immer schauen ob und wie viele Tinerfenos die Guachinche besuchen. Dabei sollte man jedoch auch die unterschiedlichen Essenszeiten beachten. Die Canarios essen erst ab 14.30 Uhr zu Mittag und ihr Abendessen nehmen sie nie vor 20.00 – 20.30 Uhr eher noch später ein. Wer also zu deutscher Essenszeit in eine Guachinche kommt, der darf sich nicht wundern, wenn diese fast leer ist. Die Tinerfenos kommen immer „etwas später“.
Wie schon erwähnt findet man ab Mai keine ursprüngliche Guachinche mehr, die noch geöffnet hat. Alle anderen Lokale haben vielleicht das Wort „Guachinche“ als eine Art „Aushängeschild“ an ihren Häusern, sie sind aber mit Guachinchen nicht zu vergleichen.