Kanarische Küche
Gofio
Auch wenn die kastilische Krone bei der Eroberung der Kanarischen Inseln versuchte die Kultur der Guanchen und die Guanchen selbst zu vernichten, so ist es ihr zwar in großen, nicht aber in allen Teilen gelungen.
Noch immer findet man auf den Kanarischen Inseln und insbesondere auch auf Teneriffa Teile der Kultur der Guanchen wieder, ist sie noch immer lebendig.
Ein „kulinarisches Überbleibsel“ aus dieser Zeit ist das Gofio-Mehl – das einstige Grundnahrungsmittel der Guanchen. Es hat sich bis heute in den Küchen der Menschen gehalten und man kann es, ohne Übertreibung, sicher als die kulinarische Seele des Kanarischen Archipels bezeichnen.
Über viele Jahrhunderte hinweg haben die Guanchen Gerstenkörner, die sie erst vorkeimen ließen, in handgefertigten Tonschalen mit Vulkanasche geröstet und anschließend mit ihren, aus Lavasteinen gefertigten Handmühlen zermahlen. Dieses so hergestellte Mehl, war das Gofio-Mehl.
Es kam anschließend in einen speziellen Beutel aus Leder und wurde mit Wasser oder auch mit Ziegenmilch verknetet.
Nach der Eroberung der Insel Teneriffa durch die Spanier, war eines der ersten baulichen Maßnahmen, die Errichtung eines hölzernen Aquädukts in La Orotava, mit dem sie das Wasser die Berghänge hinab in den Ort transportierten. Dieses Aquädukt lieferte später auch das Wasser, um insgesamt 13 Wassermühlen zu betreiben. Alle sind nicht mehr erhalten, aber einige von ihnen sind noch heute in Betrieb (so unter anderem die mehrere hundert Jahre alte „La Maquina“ von Hernandez Cabrera).
Diese Wassermühlen wurde dafür genutzt, um Gofio in entsprechend großen Mengen zu produzieren.
Wurde Gofio einst nur aus gerösteter Gerste hergestellt, so kamen irgendwann auch andere Getreidesorten wie Mais, Hirse, Hafer und Weizen, die unterschiedlichsten Hülsenfrüchte (meist Kichererbsen), Reis und verschiedenste Samen dazu. Gofio war immer eine Art „eiserne Ration“ für die schlechten Zeiten. Man konnte es gut lagern und so sicherten sich die Menschen auch für Missernten oder lange Belagerungszustände ihr Grundnahrungsmittel.
Lange galt Gofio als „arme Leute Essen“. Doch dem ist schon lange nicht mehr so. Im Laufe der Zeit hat sich die Einstellung und das Essverhalten der Menschen geändert und so erlebte Gofio eine Renaissance.
Insbesondere eine bewusstere Ernährung und der Trend in Richtung Bio, vegetarische und vegane Ernährung ließ dieses ganz besondere Mehl wieder auferstehen. Denn, was viele nicht wissen, Gofio ist nicht einfach nur ein Mehl. Es ist reich an Vitaminen, Proteinen und Mineralien und enthält B1, B2, B3 und C, Eisen, Kalzium, Magnesium und Zink. Was es nicht enthält, sind Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe und Farbstoffe und es ist überaus bekömmlich.
Und Gofio einfach nur als Mehl zu bezeichnen, wäre falsch. Denn Gofio ist nicht nur eine Zutat, die man zum Kochen oder Backen verwendet, Gofio ist eine vollwertige Mahlzeit.
Ein ganz entscheidender Unterschied zwischen „normalem Mehl“ und Gofio besteht auch darin, dass Gofio vor dem Verzehr weder gekocht noch gebacken werden muss. Man kann es einfach so wie es ist oder zusammen mit anderen Zutaten verzehren.
Insbesondere auch die jungen kanarischen Köche in den Restaurants und Hotels des Insel experimentieren mit Freude und Einfallsreichtum viel mit Gofio. Ihr Kreativität in Hinblick auf die Verarbeitung von Gofio kennt kaum Grenzen und ihr fantasievollen Kreationen und Speisen zieren die Speisekarten auch in der gehobenen Küche.
Gofio kann sowohl herzhaft, als auch als Süßspeise verarbeitet werden. Wie bereits erwähnt ist die einfachste Möglichkeit Gofio zu essen die, es einfach nur mit Wasser oder Milch zu verknetet. Es dient aber auch zum Andicken von Suppen und Saucen, vermischt mit heißer Brühe wird er zu Escaldon – einem Klassiker , den man aber selten in touristischen Lokalen findet -. Escaldon genießt man am besten mit Mojo-Sauce und frischen Zwiebelringen. Oder auch als Beilage zu Fisch oder Fleisch.
Mischt man frische Bananen, Honig, Nüsse, Feigen, Frischkäse … usw. dazu, erhält man eine wundervolle Süßspeise.
Aber auch als Käsemantel, in Kuchen und Gebäckteilen … überall ist Gofio zu finden und gibt den Speisen eine ganz eigene, eine besondere Note und einen außergewöhnlichen Geschmack.
Wie wichtig den Canarios Gofio heute noch immer ist, sieht man auch auf jeder Romeria. Es gibt keine dieser herrlichen Veranstaltungen, bei denen kein Gofio an die wartenden und begeisterten Zuschauer verteilt wird.
Aber auch bei der Arbeit auf dem Feld oder bei langen Wanderungen haben die Canarios immer einen Beutel mit Gofio dabei. Der gibt Kraft und Ausdauer und stillt perfekt den kleinen oder auch großen Hunger.
Ihre Liebe zu Gofio drücken die Canarios nicht nur beim Essen aus, sie singen auch Lieder darüber. Der Rhythmus dieser Lieder ist abgestimmt auf dem Rhythmus den man zum Bearbeiten des Teiges braucht.
"El zurrón del gofio yo lo traigo aqui, el que quiere el gofio tiene que pide am mi ..."
Jedes Kind hier kennt das schlichte, alte Lied. Es erzählt davon, dass man sich gut stellen sollte mit dem, der einen Proviant-Beutel mit Gofio besitzt.
Wie fast alle Insulaner in allen Weltmeeren legen auch die Kanaren großen Wert auf ihre eigene, unverwechselbare Identität. Von den Festland-Spaniern, die sie gern als arrogant und besserwisserisch bezeichnen, grenzen sie sich entschieden ab – was auch in ihrer Musik zu finden ist.
"No digas peninsular, que a ti no te gusta el gofio … "
Festlandspanier, wage es nicht zu behaupten, dass dir mein Gofio nicht schmeckt! Eine klare Drohung an die von der "Halbinsel", sich nur nicht über das Leibgericht der Kanaren lustig zu machen. Etwa acht Millionen Kilo von diesem "Brot der Armen" produzieren die Müller auf der Inselgruppe im Jahr.
Da auf den Kanaren jedoch nicht genug Getreide angebaut wird, müssen die Müller viel Getreide von außerhalb, aus Frankreich oder Spanien importieren. Entsprechend hoch sind die zusätzliche Kosten.
Daher ist es wichtig, dass man, wenn man Gofio oder auch Gofio-Produkte kauft, hier die einheimischen Produkte verwendet und nicht auf industriell hergestellte Produkte zurück greift.
Jeder, der Urlaub auf Teneriffa macht, sollte Gofio probieren. In all seiner Vielfalt, in all seinen verschiedenen Zubereitungsformen. Es ist so einfach, die Reise in die kulinarische Vergangenheit, die Gegenwart und sicher auch die Zukunft der kanarischen Küche anzutreten und zu genießen, was sie einem bietet.